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11.2023

Anrechte im Versorgungsausgleich - verschwiegen oder übersehen

Grundsätzlich wird in Deutschland bei jeder Scheidung von Amts wegen - also ohne einen ausdrücklichen Antrag der Beteiligten - ein so genannter Versorgungsausgleich durchgeführt, d. h. ein Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanrechte.
Ausnahme: Die Ehe war von kurzer Dauer (Ehezeit weniger als drei Jahre) oder beide Ehegatten haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Hier findet ein Versorgungsausgleich dann nur auf Antrag statt.

Der Versorgungsausgleich ist von dem Grundgedanken getragen, dass die jeweiligen Leistungen der Ehegatten in der Ehezeit - und zwar auch bei einer Alleinverdienerehe - als gleichwertig anzusehen sind. Entsprechend dem aus dem Grundgesetz abgeleiteten Gerechtigkeitsgebot sind folglich im Fall der Scheidung die in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte nach dem Halbteilungsgrundsatz aufzuteilen. Hierdurch sollen Nachteile in Bezug auf Einbußen in der Erwerbsbiographie ausgeglichen und jedem berechtigten Ehegatten eine eigenständige Alters- und Invaliditätsversorgung verschafft werden.

Um diese Teilhabegerechtigkeit zu gewährleisten, erhalten die Beteiligten nach Einleitung des Scheidungsverfahrens über das Gericht einen Fragebogen, in dem sie vollständig und wahrheitsgemäß angeben müssen, bei welchem Versorgungsträger sie in der Ehezeit Anrechte auf Altersversorgung erworben haben.
Erfasst werden neben Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch solche aus anderen Regelversicherungssystemen, wie beispielsweise der Beamtenversorgung, ferner Anrechte aus den berufsständischen Versorgungen, aus der betrieblichen Altersversorgung oder der privaten Altersvorsorge.

Was geschieht nun aber, wenn ein Ehegatte z. B. eine Betriebsrente oder die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes oder eine private Leibrente einfach nicht angibt und diese deshalb unberücksichtigt bleibt? Und was kann man tun, wenn das Gericht versehentlich die Auskunft bei einem Versorgungsträger nicht einholt und das Anrecht aus diesem Grund im Scheidungsbeschluss unberücksichtigt bleibt? Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist eine Ergänzung bzw. Korrektur nicht mehr möglich, sobald der Ausgangsbeschluss rechtskräftig ist. Vergessene, übersehene oder verschwiegene Anrechte sind also tatsächlich verloren! Umso wichtiger ist es, die Angaben des anderen Ehegatten im laufenden Verfahren, soweit das möglich ist, zumindest auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen.

Der Fachausschuss Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein sieht hier einen dringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber und hat daher bereits Ende letzten Jahres eine Initiativstellungnahme an das Bundesministerium der Justiz gerichtet.

Text: Birgit Schwerter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht



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