Für viele Betroffene ist es ein Schock. Jahrelang hat man sich als Angehöriger, sei es als Tochter oder als Sohn, um die Mutter oder den Vater gekümmert. Nach deren Tod muss man dann feststellen, dass es ein Testament gibt, in dem der „ungeliebte Bruder“ oder die „ungeliebte Schwester“ als Alleinerbe eingesetzt ist. Viele sind in dieser Situation verzweifelt und fragen sich: Bekomme ich denn nun gar nichts vom Kuchen ab?
Glücklicherweise ist das meistens nicht der Fall. Denn auch denjenigen Abkömmlingen, also Kindern, Enkeln, Urenkeln usw., die vom Erblasser enterbt worden sind, stehen in aller Regel Pflichtteils-ansprüche zu. Gleiches gilt, wenn der Ehepartner enterbt wurde. Sogar die Eltern eines Verstorbenen können Pflichtteilsansprüche haben, wenn der Verstorbene keine Kinder hatte oder alle Abkömmlinge bereits verstorben sind. Diese Pflichtteilsansprüche können vom Erblasser nur unter ganz engen Voraussetzungen ausgeschlossen werden, beispielsweise wenn der grundsätzlich Pflichtteils-berechtigte dem Erblasser nach dem Leben trachtet. Ein angespanntes Verhältnis oder gar ein Zerwürfnis reicht nicht aus.
Auch wenn Pflichtteilsansprüche bestehen, ist der Enterbte jedoch nicht Erbe geworden. Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich vielmehr um einen Geldanspruch, der gegenüber dem Erben erst geltend gemacht werden muss. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs richtet sich dabei nach der gesetzlichen Erbquote. Wenn also z. B. die verwitwete Erblasserin ihre Tochter enterbt und den Sohn als Alleinerben eingesetzt hat, muss zunächst festgestellt werden, dass die Tochter an sich gesetzliche Erbin zu einer Hälfte wäre. Wiederum eine Hälfte davon, also insgesamt ein Viertel des Nachlasswerts, kann die Tochter vom Sohn als Pflichtteilsanspruch verlangen.
Da der Pflichtteilsanspruch aber „nur“ ein Geldanspruch ist, hängt die Höhe des Anspruchs maßgeblich vom Wert des Nachlasses ab. Häufig kommt es vor, dass Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten behaupten, es sei kein nennenswertes Vermögen vorhanden. Damit müssen sich Pflichtteilsberechtigte jedoch nicht begnügen. Vielmehr hat man als Pflichtteilsberechtigter das Recht, vom Erben Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses zu verlangen. Auch Schenkungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten getätigt hat, können eine Rolle spielen und müssen deshalb im Rahmen der Auskunft vom Erben angegeben werden. Werden Schenkungen berücksichtigt, kann sich der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben sogar noch erhöhen.
Auf jeden Fall lohnt es sich deshalb, die Enterbung nicht einfach hinzunehmen, sondern sich anwaltlich beraten zu lassen, um Pflichtteilsansprüche geltend zu machen und gegebenenfalls durchzusetzen.
Text: Daniel Butz, Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Schwerter
Schönbornstr. 33
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